Vom Umgang mit Trennungen und Herzschmerz
Wie gehen wir mit Trennungen um? Fest steht, dass eine Trennung immer Verletzungen und Herzschmerz verursacht. In der chinesischen Medizin werden sie ganz wörtlich als Verletzungen der Herzgegend, des sogenannten Herzchakras, erkannt und behandelt. Man geht davon aus, dass man, um in der Herzgegend keine dauerhaften Schäden zu erleiden, also weiter verletzt zu werden, das Herz verschließt oder eng macht.
Tatsächlich gibt es eine Phase des Herzschmerzes, bei der man sich zurückzieht, sich einschließt, nichts hören und sehen will. Diese Phase ist auch sehr wichtig, ermöglicht sie uns doch, Zeit mit uns, unseren Gefühlen und unserer Trauer, zu verbringen. Aber wie soll das vonstatten gehen, wenn ich diese Zeit nicht bekomme oder mir nehmen darf? In vielen Kulturen unserer Welt ist es üblich, um einen verstorbenen Menschen mindestens ein Jahr zu trauern. das ist gut und richtig, aber die Zeit und das Verständnis, aus anderen Gründen zu trauern, fehlt unseren Mitmenschen und uns selbst nur allzu oft. Dazu kommen kulturell und geschlechterspezifisch längst überwunden geglaubte Moralvorstellungen („Ein richtiger Mann weint nicht.“ „ Sie suhlt sich in Ihrem Selbstmitleid, war schon immer so weinerlich.“) Es klingt gewöhnungsbedürftig, aber es erfordert Mut, sich die Zeit und den Raum zu nehmen, traurig zu sein. Aber diese Zeit der Trauer ist sehr wichtig, damit die Verletzungen heilen können.
Wenn wir verletzt werden, was genau wird verletzt?
Meist geht mit einer Trennung eine Kränkung und eine Abwertung unseres Egos einher. Um damit fertig zu werden, entwickelt man verschiedene Ausweichbewegungen.
Eine davon ist die Abwertung des Anderen: „Der/Diejenige ist es gar nicht wert, dass du um ihn weinst.“ Dies kann kurzfristig dazu führen, dass wir uns besser fühlen, doch verlieren wir dabei unseren eigenen Anteil an der Trennung aus den Augen. Wir werden die Schuld- und Verantwortungsgefühle, die wir haben, dadurch nicht los werden, dass wir die gesamte Verantwortung weiterschieben. Das Wesen einer Schuldzuweisung ist eine Projektion meiner eigenen Schuldgefühle auf die andere Person. Es ist also sehr wichtig, sich mit dem eigenen Anteil an der Trennung auseinanderzusetzen, wie auch immer ich ihn einschätze. Es ist auch wichtig, den Anteil der Verantwortung, die der Andere trägt festzustellen und zu benennen. Entscheidungen, auch schmerzhafte, sollten von den Beteiligten gemeinsam verantwortet werden, damit beide Parteien mit einen Abschluss machen können und ein Weiterleben möglich wird.
Eine weitere Ausweichbewegung ist das Relativieren des Problems. „Es geht schon, es ist schon gar nicht mehr so schlimm.“ In diesem Zusammenhang das Problem herunterzuspielen, kann dazu führen, das man den Herzschmerz nicht ernst genug nimmt. Aber die Tatsache, dass eine solche Verletzung in der Gegend unseres lebenswichtigsten Organes lokalisiert wird, zeigt uns, dass wir die Schwere und Bedeutung von Herzschmerz, auch gesellschaftlich, nicht unterschätzen sollten.
Auf der anderen Seite gibt es die Gefahr, dass wir uns sehr stark mit uns als trauerndem Menschen identifizieren und uns in unser Schicksal ergeben. Antriebslosigkeit, mangelndes Selbstbewusstsein und verletztes Ego können in eine Depression führen. Hier sind unsere Mitmenschen gefragt, ohne deren Hilfe wir manchmal schwere Situationen nicht oder schwer durchstehen würden. So wichtig die Phase der einsamen Trauer und des In-Sich-Hineinhörens ist, so ist die Phase der Kontaktaufnahme zu meiner Umwelt ebenso wichtig.
Niemand von uns muss diese Phasen des Schmerzes und der Trauer alleine durchstehen. Suchen wir uns Mitmenschen, die uns unseren Freiraum geben und trotzdem einfühlsam auf Kontaktaufnahme reagieren können.
Das Ausweichen, die tiefe Traurigkeit, die Schuldzuweisungen und das
Auseinandersetzen mit der Trennung, Übernahme der Verantwortung, und schließlich die Akzeptanz und das Weiterleben, das alles gehört zum Prozess der Heilung dazu. Wichtig dabei ist das Zulassen der Trauer, sich Raum und Zeit dafür zu nehmen, Verantwortung zu übernehmen, und, wenn es erforderlich und an der Zeit ist, Hilfe und Unterstützung bei unseren Mitmenschen zu suchen.
Dann besteht Hoffnung, dass gebrochene Herzen wieder heilen können.
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